Taipeh Tagebuch

Ruben wieder Druben

Monat: September, 2012

Drachentempel – Sonnenschein

Der Tempel ist bei Sonnenschein genauso schön wie bei Nacht und genauso belebt. Tagsüber sind vor allem ältere Leute da, die beten, Sutren lesen, Weihrauch abbrennen oder Kerzen anzünden.

Der Tempel lebt, das muss ich noch einmal in aller Deutlichkeit sagen, er erinnert mich in seiner Funktion, an die katholischen Kirchen die ich in Rumänien gesehen habe. Er ist eine Heilanstalt, ein Zufluchtsort, hier wird gewünscht, gehofft, geweint, geplappert, sein Herz ausgeschüttet. Der Priester wird zum Therapeut, verschiedene Gottheiten sind für ganz spezielle Probleme da. Da ist einer für die, die Schwanger werden wollen, einer für den Schüler vor der Prüfung, einer ist da, um zu helfen, seinen Liebsten/Liebste zu finden undsoweiter.

Das kann man aber nicht einfach so. Es gibt zwei Holzstückchen, die sehen aus wie sichelförmige Monde. Die nimmt man in die Hand, denkt ganz fest an den Geist, den man befragen will, und schmeißt sie auf den Boden. Zeigt eine Oberseite und eine Unterseite nach oben, darf man, ansonsten muss man an einem anderen Tag wiederkommen. Auch hier muss ich noch mehr forschen und gucken. Es gibt viel, viel zu verstehen und zu entdecken.

Maskerade

Am Samstag knallte es gewaltig unten auf der Straße. Ein großer Tempelumzug zog bei uns vorbei und machte vorn an der Bahnstation Wanhua Mittagspause. Tempelumzüge in Taiwan gehen nicht ruhig vonstatten. Das kracht mächtig. Die haben jede Menge Autos mit Lautsprechern dabei, die nur einen Sinne erfüllen: Lärmen! Ich bin dann mal kurz runter und habe mir die Kostüme aus der Nähe angesehen. Die haben so lustige Riesenoberkörper, in der Mitte ist ein Guckloch für den, der das Ding schultert und damit die Straße lang schlendert. Dies muss unheimlich erschreckend auf Kinder wirken, denn die Dinger bewegen sich ja dann auf zwei Beinen und die Masken sehen recht furchterregend aus.

Hier mal der Tiger-Opa虎爺. Ein Taiwanesischer Freund hat noch dieses Youtube-Video gepostet, da sieht man die mal in Aktion. http://www.youtube.com/watch?v=uemzP0PQ_IU&feature=related Der ganze Umzug wirkt auch sehr martialisch. Viele Teilnehmer tragen traditionelle Waffen, Keulen, Schwertlanzen und dergleichen. Lustig, da die meisten nicht so aussehen, als würden sie sich sonst viel bewegen, geschweige denn trainieren. Ist eben nur Spaß, wah. Ich werde die einzelnen Kostüme mal etwas mehr erforschen und dann darüber berichten.

Ein Tag mit Fengli Su

So, gleich vorweg, Fengli Su ist keine Taiwanesische Pop-Diva, es ist eine Art Kuchen und eine lokale Spezialität. Als ich meinen Kollegen in Peking erzählte, dass ich nach Taiwan fahre, riefen einige, ich solle doch bitte Fengli Su mitbringen. Da ist wohl auf dem Festland ein großer Renner!

Ich musste da noch nicht so recht, was das ist, aber siehe da, Axels Nachbarn machen ganz vorzüglichen Fengli Su selber! Sie haben einen riesigen Backofen, ein professionelles Rührgerät und sonst auch noch alles, was man benötigt. Backen ist Mama Chens großes Hobby. Seit 20 Jahren macht sie das und bäckt, von Brot über Küchlein bis hin zu Brownies, alles was das Herz begehrt. Glückspilz ich!

So, wie macht man die nun. Erst einmal wird frische Ananas pfannengerührt. Dann mit Butter verrührt. Den Teig macht man auch nur aus Mehl und Butter mit Ei. Dann nimmt man einen bisschen Teig, drückt ihn platt, packt ein wenig Ananasbrei in die Mitte, drückt den Teig von unten hoch und voilà. Dann werden die Teigbällchen in eine Metallform gepresst und kommen in den Ofen. Zwischendurch müssen sie dann noch einmal gewendet werden.

Hört sich ziemlich einfach an, ist es aber nicht. Ich sehe ganz genau, dass Mama Chen viel Erfahrung hat, bei der Geschwindigkeit mit der sie die Dinger zusammenrollt. Früher hat sie die nur für Freunde gemacht. Jetzt rufen Leute an und bestellen sie bei ihr.

Leben kann sie davon nicht, es ist ihre Leidenschaft. Trotzdem wirkt die Wohnung wie eine kleine Fabrik. Da liegen Verpackungen, da ist eine Versiegelungsmaschine für die kleinen Tütchen, in welchen die Kuchen eingepackt sind.

Dann gibt es da noch einen riesigen silbernen Tisch, das ist eine professionelle Schneidemaschine, da werden dann die härteren Sachen durchgeschoben und so gleich auf richtige Länge geschnitten. Für andere Naschsachen aus der kleinen Backfabrik!

Das sie das alles mit Liebe tut sieht und schmeckt man, denn sie verwendet nur gute Zutaten und alles wird sorgfältig, in mühevoller Kleinstarbeit verpackt.

Yucky Ducky

Für alle Vegetarier und Entenfleischliebhaber, aus unterschiedlichen Gründen vermutlich, gibt es diese Attraktion auf der Straße zu bestaunen. Ja, Pekingente gibt es nicht nur in Peking, sie werden auch in Taipei erst einmal etwas abgehängt, bevor sie gebraten werden.

Mampf I

Habe mir gestern meinen großen Zeh gestaucht. Mein Zimmer hat eine Schwelle, aus den selben Fliesen wie der Boden. Da bin ich voll gegen gehämmert! Hab ich erst einmal einen Schuhkarton vorgelegt. Damit mir das besser auffällt. Also bin ich gerade etwas schlecht zu Fuß.

Etwas, das ich an Taiwan liebe, ist das vegetarische Essen. Hier eine (vegetarische) Dang-gui-Suppe und ein voller Teller vom vegetarischen Buffet. Das liegt in der Nähe des Eingangs zur Bibliothek der NTU, wo ich früher Chinesisch gelernt habe und am Beginn des Shida-Nachtmarktes. Die Auswahl ist immer besser geworden und das Buffet mit Abstand das leckerste, was ich derzeit kenne. Warum die nicht so eins in Berlin z.B. aufmachen, ist mir schleierhaft!

 

Anziehend

Die Gegend von der Wohnung bis zur U-Bahn Station ist gespickt mit Klamottenläden. Die Sachen scheinen aus einer anderen Zeit zu kommen und sich eher an die „ältere Taiwanesische Dame“ zu richten. Bei uns vor der Tür geht es vor allem um Unterwäsche, Bademode und Reizwäsche. Hier ein paar besonders schöne Exemplare, nicht für die „ältere Dame“, vielleicht …

Burn, Baby, Burn

Diese kleinen Eimerchen hier kann mehr sehr oft in Taiwan auf der Straße sehen. In ihnen wird Opfergeld verbrannt. Manchmal befindet sich dahinter auch gleich ein kleiner Altar mit Obst und Weihrauch. Heute ist der 2. Tag des Monats nach dem Mondkalender – ein wichtiger Opfertag für Geschäftsleute, um ihren Umsatz zu steigern.

Wanhua

Ich wohne jetzt erst einmal wieder bei Axel, in meinem neuen Lieblingsstadtbezirk von Taipei – Wanhua. Auch bekannt als Bangka oder Mengjia. Es ist der älteste Bezirk der Stadt, geschichtlich, und wohl derzeit auch der älteste, vom Durchschnittsalter der Einwohner aus betrachtet. Zentrum des Ganzen ist der schöne Drachenbergtempel (Longshan Si). Ein Tempel der wirklich lebt. Taiwan hat ja eine riesige Tempelkultur und dieser ist besonders schön und groß.

Gleich nebenan erstreckt sich ein riesiger Nachtmarkt mit der berühmten Schlangenstraße, wo man Schlangen verspeisen kann, wenn es einen danach dürstet. In dem Park davor ist tagsüber viel Betrieb, alte Leute beim Schachspielen oder erzählen. Es gibt auch eine Volksküche für die ganzen Obdachlosen, die dort und in den Seitenstraßen nachts schlafen.

Die Seitenstraßen werden außerdem noch von jeder Menge Damen bevölkert, die einem zum „Teetrinken“ einladen wollen. Wanhua ist der ehemalige Rotlichtbezirk Taipehs. Manche von denen müssen so an die 60 sein aus der Zeit, als Prostitution noch legal war. Wenn sie mich anlächeln bin ich etwas irritiert. Nee, danke – keinen Durst!

(Auf dem ersten Bild ist eine Nonne am Eingang zum Nachtmarkt zu sehen. Auf dem zweiten verteilt eine Frau Reisbrei, Zhou, an die Obdachlosen (? Ich bin mir nicht 100 Prozent sicher, ob da vielleicht auch ein paar Pilger darunter sind. Muss mal fragen))

Hipp, Hipp H***** – wieder da!

Bin gestern in Taipei gelandet. Dabei fiel mir auf, Taiwaner sind manchmal so nett, dass es schon fast unterwürfig wirkt. Bei der Passkontrolle fehlte dem „Grenzbeamten“ noch die Adresse für einen Ansprechpartner – ne Telefonnummer würde ihm auch reichen, meinte er. Da ich nichts dabei hatte, musste ich meinen Computer anschalten. Der hatte keinen Strom mehr, also ließ mich der nette Beamte meinen Rechner bei sich auf den Schalter stellen und in sein Stromnetz einstöpseln. Das ganze stelle man sich an einem chinesischen Schalter vor – genau, Pech gehabt! (Fairerweise, wahrscheinlich auch an jedem anderen Schalter dieser Welt!) Dabei lächelte der Nette verzweifelt und entschuldigt sich mehrfach. Als ob das seine Schuld wäre. Come on, Taiwan! Nett kann man doch auch mit Rückrat sein!

Taipeh empfängt mich mit einem kleinen Taifun. Es regnet, ist schwül und grau. Bei einem ersten Ausflug am Abend, auf der Suche nach Essen und auf dem Weg zu meinem derzeitigen Lieblingscafe, sehe ich auch gleich zwei Leute die ich kenne. Einer von beiden ist mein ehemaliger, kanadischer Mitbewohner, der sich vor acht Jahren nach Thailand aufmachte, sein Glück zu suchen. Muß ihn mal fragen, was daraus geworden ist …